Antwort der Arge Nord-Ost e.V. auf die Aussage von Bundesverkehrsminister Scheuer:
Angeblich überragendes Nutzen-Kostenverhältnis beim Nordostring
Hohe Renditeversprechen sind unglaubwürdig
Der erfahrene Sparer weiß, dass hohe Renditeversprechen wenig glaubhaft sind und allzu oft mit massiven Verlusten bezahlt werden. Dabei gilt der einfache Grundsatz: Je höher der angebliche Gewinn, umso riskanter die Anlage und umso unseriöser oft der Anbieter.
Bundesverkehrsminister Scheuer spricht beim Nordostring Stuttgart aber von einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von über 10. Was soll man von so einem Angebot halten, bei dem nicht nur 5 %, sondern je Jahr über 20 %, insgesamt fast 1000 % Rendite, versprochen werden? Denn nichts anderes bedeutet das von Bundesverkehrsminister Scheuer versprochene Nutzen-Kosten-Verhältnis. Demnach würde der Nordostring aus jedem investierten Euro fast 10 Euro Gewinn abwerfen.
Berechnungen des Bundesverkehrswegeplans umstritten,
keine Fahrzeiteinsparungen im Verkehr
Minister Scheuer beruft sich bei seiner Aussage auf die umstrittenen Berechnungen für den Bundesverkehrswegeplan 2030. Dort ist nachzulesen, wie diese sehr hohe Rendite zustande kommt: Sie beruht fast ausschließlich auf angebliche Fahrzeiteinsparungen beim Autoverkehr. Und nebenbei auch auf Verkehrszahlen, die nichts mit der Realität auf unseren Straßen zu tun haben. (so soll im Rosensteintunnel, der momentan im Bau ist, kein einziges Fahrzeig mehr fahren, wenn der Nordostring gebaut ist)
Beim Wirtschaftsverkehr können Fahrzeiteinsparungen zwar kurzfristig tatsächlich Kosten senken. Mittel- und langfristig führen sie aber dazu, dass sich die Konzentration auf wenige Großbetriebe verstärkt. Kleine und mittelständische Betriebe bleiben dabei auf der Strecke. Und für das heimische Handwerk bedeutet es, dass weiter entfernt liegende Handwerksbetriebe noch billiger auf den Stuttgarter Markt drängen können. Welchen Vorteil die einheimischen Gewerbetreibenden, die hier die hohen Stuttgarter Standortkosten tragen müssen, dadurch haben, möge Minister Scheuer diesen direkt erklären.
Weiter entfernt liegende Ziele werden angesteuert
Der überwiegende Anteil der Fahrzeuge im Verkehr allgemein, und so wird es auch auf dem Nordostring sein, ist aber nicht der Wirtschaftsverkehr, sondern mit 85 % der Privatverkehr. Bei diesem gibt es keine Kostensenkung. Im Gegenteil: Die durch die Beschleunigung auf neuen Streckenabschnitte eingesparte Zeit wird wieder im Verkehr investiert. Statt Zeit zu sparen, wird mehr gefahren. Das erhöht die Verkehrs- bzw. Fahrleistungen der Autos in unserer Region weiter.
Ausgaben für Verkehr nehmen zu
Die Ausgaben für den Verkehr steigen dadurch ebenso an wie alle damit verbundenen Belastungen, insbesondere Abgase, Lärm und auch Staus. Verkehrswissen-schaftlich ist dieses Phänomen längst bekannt und wird als induzierter Verkehr bezeichnet. Der Volksmund drückt es ebenso einfach wie zutreffend aus:
„Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“
Wie unseriös die Nutzen-Kosten-Berechnungen von Herrn Scheuer sind, zeigt auch die breite Streuung der Ergebnisse der Nutzen-Berechnungen für ein und dieselbe Straße in den unterschiedlichen Fachplanungen. Während der Bund im Bundesver-kehrswegeplan 2030 beim Nordostring ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 10,6 be-rechnet hat, lag dieses bei den vorhergehenden Berechnungen und auch beim Regionalverkehrsplan weit darunter. Der Unterschied im Nutzen des Nordostrings beträgt zwischen den einzelnen Fachplanungen oft mehrere 100-Millionen Euro! Da fragt man sich als Bürger, was dabei überhaupt stimmt. Mit diesen widersprüchlichen Zah-len der Bevölkerung ein so umstrittenes Straßenbauprojekt wie den Nordostring verkaufen zu wollen, ist in hohem Maße unseriös. Bundes-Verkehrsminister Scheuer verspricht eine Rendite des Nordostrings, die es ganz sicher nicht geben wird. Beschleunigungen im Verkehr sparen keine Zeit, sondern führen zu mehr Verkehr, wodurch die im Verkehr zugebrachte Zeit letztlich sogar noch zunimmt.
Nordostring zerstört wesentliche Freiflächen
Was es aber sicher geben wird, das ist die Zerstörung großer, stadtnaher Freiflächen. Diese zeichnen sich durch ihre hervorragenden Ackerböden und ihren hohen Wert für die Naherholung sowie den Naturschutz aus. Es sind zudem klimaökolo-gisch wichtige Flächen für Stuttgart und die Umlandgemeinden. Der Verlust dieser wertvollen Flächen wird in Scheuers Nutzen-Kosten-Berechnung übrigens nicht berücksichtigt.
Gerade das zu Ende gehende Jahr 2018 hat uns mehr als deutlich gezeigt, wie weit die Klimaerwärmung schon vorangeschritten ist. Unsere noch verbliebenen Freiflächen sind daher überlebenswichtig für uns. Sie benötigen den höchsten Schutz und dürfen keinesfalls unglaubwürdigen Versprechen geopfert werden.